Dienstag, 30. Juni 2009

Noch ein Hans Peter...



Kaum ist der irre Australier wieder zurück in den Hafen gespült worden, erscheint auf der US-Seite sailinganarchy dieses Video von einem weiteren Hafengeld-Preller - anders kann es nicht sein - , der einen verzweifelten Fluchtversuch durch die Brandung unternimmt.

Er ist bei der Passage immerhin deutlich erfolgreicher. Die Bedingungen sind auch nicht ganz so extrem. Wenn Wellenreiter in der Hafeineinfahrt entgegen kommen, ist das noch lange kein Grund, auf die geplante Kaffeefahrt zu verzichten.

Ab gehter der Hans Peter...


Okay, dieser Australier mit seiner Segelyacht "Hans Peter" mag einen an der Waffel haben. So lesen sich jedenfalls die entrüsteten Kommentare in der einschlägigen internationalen Segelpresse.

Bei einem 68-Knoten-Sturm mit sieben Meter hohen Wellen wollte der Kollege mit seiner Jeanneau aus dem Hafen Gold Coast Seaway in Queensland auslaufen. Das Ziel soll ein Ort namens Yeppoon gewesen sein.

Als seriöser Yacht-Journalist muss man so eine Aktion natürlich verdammen. Die Menschen, die er in Gefahr brachte, die Retter und überhaupt...was für eine Seemannschaft? Sieht man doch, dass man da nicht rauskommt.

Aber für einen voyeuristisch veranlagten Segel-Junkie sind das doch Hammer Bilder. Hätte nie gedacht, dass eine Jeanneau so abgehen kann. Vielen Dank, lieber Australier.

Ist ja auch nichts passiert, wie man liest. Obwohl in der Abheb-Phase der Motor ausgefallen sein soll. Aber die Jungs an Bord rollten schnell die Genua aus und segelten zurück in den Hafen. Das nenne ich Seemannschaft!

Vielleicht steckt ein echtes Drama hinter diesem Stunt. Vielleicht sollte die Reise zur kranken Mama nach Yeppoon eine Muttertags-Überraschung werden. Vielleicht handelt sich um einen Crash-Test des lokalen Segelmagazins. Vielleicht gingen die Biervorräte im gesamten Gold Coast zur Neige, und die Jungs wollten sich opfern, um Nachschub zu holen.

Nichts Genaues weiß man nicht.
Aber es muss an dieser Stelle natürlich schon darauf hingewiesen werden, liebe Kinder: BITTE NICHT NACHMACHEN.



Donnerstag, 25. Juni 2009

Verhaltensauffällig



Protest-Situation von der ersten virtuellen Kieler Woche bei der Rundung des Leetors. "Dennis Conner" (rechts) bekommt als innen liegendes Boot Recht. "Onyx" (links vom Pulk) wird disqualifiziert.


Ich denke, es ist am besten, wenn ich es einfach so sage. Einfach so heraus, ohne lange drumherum zu reden, ohne große Worte, ohne Ausflüchte......... Also........., ich bin auch – ich betone sehr laut und entschieden das Wörtchen „auch“ - Computersegler. Ja, ja COMPUTERSEGLER.......jetzt ist es raus.

Schon gut, schon gut....ich kenne die Reaktion aus dem Segel-Freundeskreis. Es hebt sich die eine oder andere Augenbraue. Computersüchtig? Nichts Besseres zu tun? Verhaltensauffällig?

Vielleicht ist da ja etwas Wahres dran. Man bemerkt doch meist selber erst recht spät, wie es mit einem bergab geht. Ist es tatsächlich schon so weit?

Okay ich gebe zu, Dienstag habe ich für das Kieler-Woche-Finale sogar einen Sport-Termin ausfallen lassen. Ich war verletzt – hab ich gesagt. Stimmte auch ein bisschen. Akuter Schiefhals. Abklingend zwar, aber hatte ich wirklich. Zwei Tage ging gar nichts. Kam einfach so – oder etwa vom Computersegeln?

Also, Virtual Skipper (VSK) heißt das Spiel, das ich im Übrigen ungern „Spiel“ sondern lieber Taktik-Simulation nenne. Hört sich erwachsener an. Ich sitze also schon mal abends mit hochrotem Kopf am Rechner und steuere mithilfe der Pfeiltasten an der Tastatur ein virtuelles Boot über virtuelles Wasser um virtuelle Tonnen vorbei an virtuellen Gegnern.

Manchmal rede ich auch mit den virtuellen Gegnern. Besser, ich schreie, aber das hören die Gott sei Dank nicht. Man kann nur im Chat beim Schreiben schreien. Zum Beispiel, indem man große Buchstaben benutzt. Oder böse Wörter. Aber das mache ich natürlich nicht.

Bei meiner Frau habe ich mir das Verständnis für die VSK-Beschäftigung mit dem Hinweis auf „Recherche-Arbeit“ erkämpft. Tatsächlich kam der Erstkontakt mit dem Programm durch die Arbeit für eine YACHT-Geschichte zustande. Sie erschien in Heft 5/08.

Wenn man auf den Ruf „Schatz, kannst du bitte die Spülmaschine ausräumen“ reagiert mit „nö, ich muss noch ein Computer Spiel spielen“, dann wird aus dem „Schatz“ ganz schnell ein „mein lieber Mann, so geht das nicht, wir müssen dringend reden...“. Das lässt sich umgehen mit „nö, muss noch recherchieren. Echt wichtig“.

Dazu muss ich sagen, im Büro wird nicht gesegelt, äh recherchiert. Dort steht so ein verdammter Apple-Rechner. Wahrscheinlich ist es aber ganz gut. Einige YACHT-Ausgaben wären sonst vermutlich nicht erschienen. Ich hatte auch kurz überlegt, die private „Recherche-Arbeit“ als Überstunden aufzuschreiben. Aber das hätte vermutlich die Weiterbeschäftigung abrupt beenden können.

So weit zum Verständnis und der Prolog zur Einführung in die virtuelle Szene. Später der Bericht über die Erlebnisse bei der ersten virtuellen Kieler Woche.

Montag, 22. Juni 2009

Die schöne Lady

Ich durfte dieser Tage in Rom auf der "Samarkand" segeln, einer hübschen Olin Stephens Yawl, gebaut 1958 bei Abeking & Rasmussen.

Der Düsseldorfer Architekt und Schären-Liebhaber Ulf hat sie im vergangenen Jahr in Kanada gekauft und ins Mittelmeer nach Rom überführt. Das 57-Fuß Schmuckstück soll in der YACHT-Rubrik "besonderes Boot" gewürdigt werden.

Thomas J. Watson Jr. hat dieses Schiff in Auftrag gegeben. Er war von 1956 bis 1971 IBM-Chef und einer der großen Pioniere des beginnenden Computer Zeitalters. Er wird gerne mit dem Superlativ "größter Kapitalist" beschrieben. Was auch immer das heißen mag, der Erfolg mit den ersten Computern verschaffte ihm genug Geld und Muße, seiner Segel-Leidenschaft zu frönen.

Am Steuer der "Samarkand"

Er ließ sich das Schiff beim besten Konstrukteur der Welt, von der besten Werft der Welt bauen. Einen bewohnbaren, seetüchtigen Cruiser mit den Eigenschaften einer schnellen Regattayacht. Das ist heute ein Widerspruch, damals nicht. "Samarkand" gewann jede Menge Regatten. Besonders auf dem Atlantik war sie schnell.

Das ist eigentlich nichts Besonderes. Dafür aber das Publikum, das auf dem Schiff verkehrte. Familie Kennedy, John Glenn, erster US-Astronaut, Sir Anthony Eden, ex Premierminister von England,
Schauspielerin Grace Kelly und andere. Auch Marilyn Monroe soll ihre Aufwartung gemacht haben. Aber das ist nicht verbrieft. Gut vorstellbar, wie sie im weißen Kleidchen über dem blank geputzten Lüftungsrohr gestanden hat.

Vor ein paar Monaten war ich für eine YACHT-Geschichte auf der Suche nach der Seele in Booten. Gibt es die? Oder ist das Esoterik Quatsch? Hier auf diesem Schiff ist diese Seele spürbar. Und das hängt mit diesen klingenden Namen zusammen.

Am Ruder fühlt man nicht viel. Die damaligen Langkieler mögen früher echte Rennziegen gewesen sein. Quasi die Vorgänger der heutigen Volvo Ocean Racer. Heute erscheinen sie im Vergleich wie behäbige Bleitransporter. Falls das Schiff über sein Ruder mit dem Steuermann Kontakt aufnehmen wollte, so wird dieser Versuch von der Reibung des Ruderkette unterbunden. Besonders bei dem Schwachwind vor Rom redet "Samarkand" nicht.

Und dennoch verströmt das Schiff jede Menge Faszination. Und das liegt wohl an dem illustren Publikum, das auf seinem Teakdeck lustwandelte.

Vielleicht hat sich Grace Kelly anno dazumal genauso den von Rotwein beduselten Kopf am Kerzenhalter gestoßen wie ich. Vielleicht ist auch ihr beim Bettenbauen mit tumbem Schädel der gläserne Kerzenhalter-Windschutz zu Boden gefallen und zersplittert. Vielleicht war ihr das auch so peinlich.

Wie auch immer, dieses Schiff verströmt eine Atmosphäre, die den Besucher unweigerlich in seinen Bann zieht. Aber dazu mehr in der YACHT-Geschichte.

Seitenansicht des 57 Fußers












Das Halbmodell im Salon. Das absenkbare Schwert ist als Stummel erkennbar

Verbal-Attacken



Peter Gilmour am Rad einer Swedish Match 40

Ja, ja, ich bin befangen, wenn es um die Darstellung von Match Races geht. Geschenkt. Aber dieses Video vom vierten Tag der World Match Race Tour in Troia/Portugal ist es wert, bei einer größeren Gemeinde der Seglerschaft Beachtung zu finden.

Segeln kann Kampf sein kann. Die Herren Williams (GBR) und Gilmour (AUS) liefern sich zum Ende der Round Robin ein ebenso lautstarkes Duell wie Presti (FRA) und Minoprio (NZL).

Vollgepumpt mit Adrenalin entlädt sich die Energie der Steuerleute in eine beachtliche Phonstärke. Von wegen „wer schreit hat Unrecht“. Im Kreise der Profis scheint die gezielte Verbalattacke eine Renaissance zu erleben. So bringt man die Schiedsrichter auf die eigene Seite. So lenkt man vom eigenen Fehlverhalten ab.

Am besten ist das in Portugal dem jungen Australier Trevor Mirsky gelungen. Der 24-jährige hat sein erstes großes Match gewonnen. Im Finale gegen den anderen 22-jährigen Youngster im Feld Adam Minoprio aus Neuseeland.

Eine Wachablösung? Schreien die jungen Wilden aus Down Under überzeugender?

Donnerstag, 18. Juni 2009

Die mit dem Segel fledern



Surfer der Olympiaklasse RS:X bei der EM in Israel

Schon mal einem Olympia-Surfer bei der Arbeit zugeschaut? Ich finde das Video faszinierend. So anders im Vergleich zum „normalen“ Racen. Hammerharter Sport selbst bei wenig Wind. Die Typen reißen so lange am Segel, bis ihre Pulsmesser Alarm schlagen.


Als ich die Bilder von der RS:X Klasse sah – so heißen die Bretter heutzutage – die ihre Europameisterschaft in Tel Aviv bestreiten, erschien das legendäre Olympia-Finale 2000 in Sydney auf meiner Großhirnrinde.


Ich durfte damals den beinharten Zweikampf zwischen Amelie Lux und der Italienerin Allessandra Sensini live vom Medien-Boot aus miterleben. Wahnsinn, wie sich diese beiden zierlichen Mädchen reinhängten. Weit vor dem Rest des Feldes duellierten sie sich um die Goldmedaille.


Physisch völlig am Limit überholten sie sich mehrfach gegenseitig. Unterarm-Krämpfe bei der 52 Kilo leichten Deutschen entschieden das Rennen schließlich zugunsten der Italienerin. Sensini rettete eine sieben-Sekunden-Führung ins Ziel.


Seitdem habe ich höchsten Respekt vor der körperlichen Leistungsfähigkeit der Surfer. Sie werden in Seglerkreisen oft belächelt. Puristen, die im Video dieses mit den Segeln wedelnde Starterfeld sehen, werden die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Das ist doch kein Segeln. Luftrudern. Unästhetisch.


Aber ist denn ein Drachen-Steuermann ästhetischer wenn er mit der Pinne unter dem Arm im Cockpit sitzt und sich bei der Wende nur auf seinem Hintern dreht?


Auch Surfer schaffen es nicht, sich genau gegen den Wind fortzubewegen. Da können sie am Segel reißen, so viel sie wollen. Winddreher und Böen sind für sie genauso entscheidend wie für alle anderen Segler. Auch wenn sie durch einen Pumpschlag die Luftströmung am Segel selber beschleunigen können. Erfolg ist nur mit brutaler Fitness zu erreichen. Die Typen sind fitter als alle anderen Segler.


Amelie Lux will es neun Jahre nach ihrer Silbermedaille noch einmal wissen. Sie will noch mal Olympialuft schnuppern. In Israel liegt sie in der EM-Wertung nach sechs Rennen auf Rang 15 von 29 Surferinnen.

Mittwoch, 17. Juni 2009

Wenn Kohlefaser bricht II

Das wahre Drama an Bord der aufgelaufenen Telefonica Blue bringt heute ein vom Team veröffentlichtes Video zu Tage, das den Wert der Medien-Männer an Bord der Volvo-Racer deutlich macht. Gabriele Olivo dokumentiert die niedergeschlagene Stimmung.


Bilder vom Wassereinbruch, emotional gezeichnete Profi-Segler, eine Glatze, aus der Blut aufs Deck tropft, ein hektisch agierender Navigator, der darauf dringt den Funkspruch über den Rennabbruch loszuwerden (Videolog 1:40 min) – als sei das nicht logisch bei einem Schiff, das kurz vor dem Untergang steht.


Man sieht spanisch sprechende Menschen, denen das Wasser um die Stiefel schwappt, hört fluchende Segler und den lauten Wellenschlag am Rumpf. Zersplittertes Kohlefaser wird im Wasser sichtbar. Skipper Bouwe Bekking versucht Ruhe auszustrahlen. Er muss Entscheidungen treffen, um den Schaden zu minimieren.


Bei im knallt eine Winschtrommel unter der Last einer Schlepperleine auseinander und verschwindet in der Ostsee (3:10). Als die geschlagenen Profis etwas zur Ruhe kommen, wird ihre Seelenlage greifbar (3:20). Das Rennen um den zweiten Gesamtplatz ist vorbei.


Dann der Auftritt von Navigator Fisher (3:27). „I can´t tell you how fucking sorry I am.“ „Ich kann nicht sagen, wie leid mir das tut.“ Er sieht nicht in die Kamera. Am liebsten würde er wegrennen. „Das hat unser ganzes Rennen ruiniert.“ Ich habe unser Rennen ruiniert. Ein ergreifender Moment.


Das Schiff klammert sich hartnäckig mit der Bombe im Felsspalt fest. Es will nicht vom Stein herunter. Der Skipper lässt den Schlepper „90 Grad am Rigg ziehen“ (4:24). Aber auch das hilft nicht.


Die Crew bildet eine Eimerkette, um das einlaufende Wasser aus dem Rumpf zu bringen. Der südafrikanische Watch Captain Jonathan Swain versucht es mit ein wenig Humor. „Dieses Boot scheint von diesem harten Zeug magnetisch angezogen zu werden.“ (4:51) Er spielt auf die Kollision in China an.


Becking gibt ein kurzes Statement ab. "Das passiert, wenn man so hart puscht." Es klingt banal. Der Gesichtsausdruck ist gequält. Navigator Fisher steht wie ein bestrafter Schuljunge bedröppelt daneben.


Es folgen beeindruckende Unterwasseraufnahmen von der hässlich verbogenen Kielbombe und aufgerissenem Metall. Aufnahmen, die so noch nie gezeigt worden sind.


Sicher, das ist purer Voyeurismus. Reality TV. Aber die Show ist nicht konstruiert, wie Big Brother. Das Drama, die Gefühle, das Skript - alles echt. Näher war der Segelfan noch nie. Und dieses Video wird in die Geschichte eingehen.