Montag, 15. Juni 2009

Prügelstrafe

Es fängt schon nicht so richtig gut an.

„Leinen los?“ Zustimmendes Nicken vom Vorschiff. Hebel auf den Tisch. Die Bavaria 35 Match feuert elegant aus der Box im Langenargener Stadthafen – zumindest einige Zentimeter - ...quietsch, krach... und federt deutlich uneleganter wieder zurück. Die Spring reißt das Schiff an der Winsch zurück. Genuablock-Stückchen rieseln aufs Deck.

Willkommen beim Match Race Germany am Bodensee. Willkommen bei der bedeutendsten Segelveranstaltung in Deutschland. Willkommen an Bord von Team Kemmling. Wir haben die Ehre, gegen eine Auswahl der besten Segel-Profis der Welt anzutreten.

Der Anruf von Match Race Germany Organisator Eberhard Magg kommt spät und überraschend. Die Stammcrew hat schon Urlaub gebucht. Es ist schließlich Pfingsten.

Aber der alte Laserkumpel Eckard Kaller, Chef von North Sails Süd, Seriensieger am Bodensee und zuletzt 8er Weltmeister, bringt seinen Vorschiffsmann Seba Reischl mit und den Ersatzmann für den ersten Tag Heiko Buhmann.

Mein alter Erfolgs-Trainer und Soling-Olympionike in Pusan Mathias Adamczewski erhört noch mein Flehen, sowie der erfahrene Match Racer Urs Wihlfahrt (ich musste allerdings bei seinem Umzug heftig mit anfassen).

Auf dem Papier ist das eine schlagkräftige Truppe. Wir müssen zwar hungern, um das Gewicht-Limit von 87,5 Kilo im Durchschnitt zu erreichen. Aber der Trainingstag bestätigt den Eindruck. Nach drei Stunden Flautentraining bekommen wir Manöver auf gutem Niveau zustande.

Und dann dieses Malheur beim Ausparken. Wenn es wenigstens geräuschlos abgelaufen wäre. Aber der Krach alarmiert alle Gegner. Vorsicht, da sind Vollchaoten am Werk. Dem stirnrunzelnden Peter Gilmour auf dem Nachbarboot will ich noch erklären, dass man das in Deutschland so macht. Man nennt das: eindampfen in die Spring. Aber der Erklärungsversuch scheitert an der fehlenden australischen Vokabel für „eindampfen“.

Peinlichkeit lässt sich immer noch am besten mit Humor nehmen. Aber das Lächeln kommt gequält. Denn die Fockrolle muss auf dem Wasser repariert werden. Wir verlieren wichtige Zeit bei der Startvorbereitung. Können keine Probe-Anläufe zur Startlinie mehr üben.

Trotzdem verläuft der Prestart gegen die Schweizer ordentlich. Wir lösen uns trotz Flaute schnell aus dem Dial up, kontrollieren den Anlauf zur Linie, müssen nur noch losfahren... aber ich bremse. Denn der Mann im Ohr sagt: „zu früh. ZU FRÜH. ZU FRÜH!“ Blödsinn. Die Fahrt ist raus. Und bei Flaute kommt die Bavaria-Kiste unerträglich langsam wieder in Tritt. Wir liegen hinten.



Trotzdem kommt die zweite Chance. Vorwind rauschen wir mit einer Böe heran. Ein Rechtsdreher nach der Leetonne bringt die Innenkurve. Der Herr ist auf unserer Seite.

Der Gegner geht knapp hinter uns durch. Wir fahren ein Stück, wenden und blockieren seine nächste Wende. Eine gute Position, ein echtes Match, wenn, ja wenn der Herr in diesem Moment kein Schweizer wäre. Er hat gegeben, nun nimmt er wieder. Mit einer starken Linksdrehung des Windes, erreichen die Schweizer Freunde so gerade noch die Luvtonne mit einem Aufschießer.

Vor dem Wind sind wir zwar eng am Heck, haben eine gute Position zum Überlaufen, aber die wichtige erste Halse verläuft suboptimal. Zweiter Sieger.

Keine Angst. Ich werde nicht jedes der elf Rennen beschreiben. Aber dieses erste macht Hoffnung. Da ist was drin für uns Underdogs. Wenn der Herr hin und wieder auf unserer Seite ist...

Weit gefehlt. Am Ende steht es 0:11!!!! Prügelstrafe!

0:3 am ersten Tag. Wir schlagen uns noch ordentlich. Der Abstand ist nicht zu groß. Aber am zweiten Tag frischt der Wind auf. Ich verhaue einen Vorstart nach dem anderen. Das Timing zur Linie ist schlecht.

Einmal treibt uns starke Strömung am Pin-End (linke Starttonne) vorbei. Ja wirklich. Strömung am Bodensee. Starke Regenfälle und Schmelzwasser haben den Rhein beschleunigt. Wir haben es gecheckt. Aber der Effekt ist heftiger als erwartet. Der Italiener Bruni macht an der Tonne dicht. Das ist die Höchststrafe.

Als sich dann am dritten Tag auch noch die Sturmwarnungslichter drehen, machen sich die breitschultrigen Muskelmänner der Gegner bemerkbar. Ihre Wenden sind schneller, der Grundspeed ist höher. Wer kann denn ahnen, dass es auf dem Bodensee hackt wie am Gardasee.

Das Fazit: Okay, man konnte vermuten, dass es so kommen könnte. Durch das America´s Cup Loch hat sich die Profi-Match-Serie weiter professionalisiert. Das Niveau ist höher geworden, der Abstand zu unsereins größer.

Aber deshalb schmerzt eine solche Klatsche trotzdem. Die Rolle des Prügelknaben macht keinen Spaß. Von wegen „Ehre“. Die Abgase von Mehrfach-Weltmeister Gilmour tun nicht weniger weh, weil sie vom Mehrfach-Weltmeister kommen.

Und der Penalty vom Dreifach-Olympiasieger Ainslie ist nicht weniger nervig, weil er vom Dreifach-Olympiasieger kommt.

Bei typischen Leichtwind-Bodenseebedingungen hätten einige Chancen drin sein sollen. Zwei, drei Siege wären ein Erfolg gewesen.

Aber es musste so kommen. Und eigentlich ist dieses Ergebnis gut für den Sport. Was wäre das für eine Botschaft, wenn Teilzeit-Sportler, die Profis schlagen. In welcher anderen Disziplin ist das möglich.

Es ist ein abenteuerlicher Schönrede-Versuch. Ja, ja, die Niederlagen-Serie hilft dem Sport. "Allein schon..." würden die Söhne auf Neudeutsch dazu sagen.
Aber vielleicht hat das Erlebnis auch etwas für die eigene Leistungsfähigkeit gebracht?

Konnte man sich Tricks abschauen? Bullshit. Es geht bei diesem Spiel um die vielen Mosaiksteinchen des optimalen Teamworks, um Kommunikation, um Manöver, um die Positionierung am Start. Die meisten Zutaten für den Erfolg sind unsichtbar. Verpatzte Spimanöver gibt es auf diesem Niveau nicht mehr. Bei uns Gott sei Dank auch nur sehr selten.

Die "Tricks" liegen auf der Hand. Der einzige Weg, es mit diesen Typen aufzunehmen, ist ernsthaftes regelmäßiges Training.

Aber das dürfte sich destabilisierend für Job und Familie auswirken. Man kann eben nicht alles haben.

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